Filmkritiken

Ponyherz – Wild und frei (2023)

Ohne ein wirklich totgerittenes Argument allzu sehr bemühen zu wollen, aber Kinderbuchverfilmungen sind im deutschen Kino eine so einfallslose wie sichere Bank – je bekannter die Vorlage ist, desto mehr Geld wird danach geworfen, und von Jim Knopf bis Die kleine Hexe kann das natürlich auch total gut gehen.

Ponyherz ist in dieser Hinsicht gewiss eine zielführende Investition, im Carlsen-Verlag ist mittlerweile der 21. Band der Reihe erschienen (neuerdings noch das “Buch zum Film”), kleine Unterhaltungsgeschichten der österreichischen Autorin Usch Luhn für Leseanfänger_innen, allesamt Bücher, die sich an Grundschüler_innen richten, größtenteils natürlich, Klischee, Klischee, an Mädchen mit Pferdewunsch oder Reithobby – je nach geographischer Lage des Wohnorts und sozialer wie finanzieller Lage der Eltern.

Markus Dietrich hat sich dieser Buchvorlage angenommen, in Regie und Drehbuch (letzteres zusammen mit seinem Co-Autor Peter Freund, der jedoch im Presseheft nicht einmal eine Kurzbiographie bekommt), und darin einige seltsame Verschiebungen vorgenommen. Ponyherz – Wild und frei beginnt mit dem nicht wirklich freiwilligen Umzug von Anni nach Groß-Hottendorf – man sieht sie noch in Hamburg sich von ihrer besten Freundin verabschieden, im Transporter gibt es dann mit der Mutter gleich Streit über den Umzug. “Ich verliere ja nur meine Freunde, mein Zuhause und ziehe nach Mordor.” – “Ich dachte, wir hätten das geklärt.”

Umzug ins Land der Gestüte

Neben dem Tod eines Elternteils (gerne der Mutter) gehört der nicht vorbereitete, emotional anstrengende Umzug zu den 08/15-Einleitungstopoi des deutschen Kinderfilms, so lassen sich Konflikte und Aufbruchssituation wunderbar (aber, seien wir ehrlich, sehr fad) gleich in wenigen Szenen zusammenführen.

Nur wirkt das hier (wie so oft) sehr gestelzt und künstlich herbeigeführt, und das setzt sich dann sehr schnell fort. Ihr Vater hatte Anni versprochen, dass sie nach dem Umzug ein Pferd bekommen solle, hat das dann aber nicht so gemeint. Hat der Mann kürzlich mal geschaut, welche Kosten und Aufwände so ein Tier verursacht? Und wie kommt Anni zu diesem Wunsch, wenn sie offenbar noch keine einzige Reitstunde in ihrem Leben gehabt hat?

Als sie dann aber auf einem Feld bei Groß-Hottendorf einem Wildpferd begegnet, dass exakt so aussieht wie das Pferd, dessen Geschichte sie als “Ponyherz”-Comic seit Monaten zeichnet, dann soll das natürlich so etwas von Pferde-Mädchen-Magie ausstrahlen: Das unschuldige Kind, dass sich sofort mit dem natürlich-wilden Tier versteht, die Pferdeflüsterin.

Der Pferdeflüsterer von Norddeutschland

Denn darum geht es hier natürlich im Hintergrund: Harmonie, Einfühlung mit den Pferden. Dem Mann vom Nachbarhof, Pieter, ist das auch wichtig, ein alter Freund von Annis Vater; und sein rothaariger Neffe Lorenz ist natürlich der charmante Junge von nebenan, ab Sekunde 1 seines Auftretens der Verknall-Interest von Anni.

Die jungen Protagonist_innen hier sind, das muss dazu gesagt werden, ein paar Jahre älter, als man es von den Büchern erwartet hätte, allesamt so um die 13 Jahre alt. So wird dann auch viel gezickt und geliebäugelnd oder eifersüchtig geguckt, es ist eine leider sehr flache Qual – denn alle Konflikte und dann auch Dialoge bleiben auf dem oberflächlist denkbaren Niveau.

Das gilt nicht nur für die Jugend, die nichts für die ihr zugewiesenen Zeilen kann (Martha Haberland als Anni und Franz Krause als Lorenz mühen sich redlich): Die erwachsenen Schauspieler_innen sind alle gnadenlos unterbeschäftigt, allen voran die eigentlich stets großartige Anna Schudt als Besitzerin eines Pferdehofs und Peter Lohmeyer als Pieter; selbst Dieter Hallervorden ist nur hier, um ein bisschen skurriler Adeliger zu sein.

Den Bösewicht riecht man weit gegen den Wind

Im Hintergrund treiben zwei ziemlich tumb-alberne Pferdedieb_innen aus Belgien ihr Unwesen, die unfähig sind, ein normales Gespräch zu führen oder auch nur Eier in die Pfanne zu schlagen; und von der ersten Sekunde an ist klar, wer der eigentliche Bösewichte hinter den Pferdediebstählen ist: Natürlich der eine Mensch, der die Pferde wirklich schlecht behandelt und auch sonst unsympathisch.

Das Comiczeichnen, anfangs für Anni sehr wichtig, spielt hier übrigens schon sehr bald keine Rolle mehr. Das kommt bestimmt in der Fortsetzung.

Wenn dieser Text etwas emotional wirkt, dann weil ich mir beim Anschauen des Films fortwährend die Haare raufen und den Bildschirm anschreien musste. Gute Pferdefilme sind möglich, wirklich; in der Ostwind-Reihe finden sich ganz schöne Beispiele, selbst die Bibi & Tina-Filme haben ganz eigene Qualitäten, und dann gibt es natürlich kleine Meisterwerke wie Der schwarze Hengst oder gelungene Jugenddramen wie Hördür.

Platte Klischees (nicht die Landschaft) und dünne Dialoge

Ponyherz – Wild und frei hingegen nimmt die plattesten Klischees des Pferdefilms, dünne Dialoge und eindimensionale Charaktere, würfelt alles mit ein wenig Slapstick und wirklich schönen Natur- und Pferdebildern zusammen und hält das für einen brauchbaren Kinderfilm.

Markus Dietrich hat eigentlich schon bessere Filme gemacht, Sputnik und Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar sind mehr als solide Unterhaltung. Aber seine letzten Filme, Willi und die Wunderkröte und der ganz und gar grausliche Die Mucklas … und wie sie zu Pettersson und Findus kamen ließen einiges zu wünschen übrig.

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Ponyherz – Wild und frei. Deutschland 2023. Regie: Markus Dietrich, 94 Min. FSK 0, empfohlen ab 8 Jahren. Kinostart: 24. August 2023.

(Fotos: Plaion Pictures/Christine Schroeder, Gordon Timpen, Boris Laewen)

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