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Ron läuft schief (2021)

Alle haben einen B*Bot. Wirklich alle in der Schule, außer Barney, Siebtklässler und notorischer Außenseiter. Ein B*Bot begleitet die Kinder auf dem Weg zur Schule, macht coole Videos von ihren Tricks und Stunts und Klamotten, und postet auch gleich alles auf irgendwelchen Netzwerken. Die kleinen Roboter, geformt wie die Plastikdotter von Überraschungseiern, machen sich bunt, geben sich eigene Skins – gerne auch nach Lieblingsfiguren aus Computerspielen – und sind, so bewerben sie es ja auch, die besten Freund_innen, direkt aus der Box.

Nur Barney Pudowski hat eben keinen. Seinem Vater fehlt das Geld dafür, er lebt mit der noch selbst aus Osteuropa immigrierten Großmutter (und deren beharrlich immer wieder auftauchenden Ziege) in einem eher schäbigen Haus und versucht, lustige Scherzartikel en gros in Videocalls aus dem Homeoffice zu verkaufen. Er ist dabei nicht besonders erfolgreich.

Economy of Social Loneliness

Schon in seinem ganzen Setup thematisiert Ron läuft schief also eine milde futuristisch verpackte, aber eigentlich ganz und gar gegenwärtige Situation: Ein “Jeder für sich”, eine harsch finanziell sehr ungleich versorgte Gesellschaft, da steckt auch ein Hauch Gig Economy drin (und das Homeoffice des Vaters ist natürlich für uns auch ein — wohl unabsichtliches – Echo der Pandemie). Und dann sind da noch diese kleinen, schnuckeligen Roboter als (inter)aktivere, mobilere Variation aufs Smartphone: immer online, immer “social”, und in der Schule müssen sie während des Unterrichts weggestellt werden.

Und gleichzeitig sind diese Geräte natürlich Vereinzelungsgehilfen, die mehr um Aufmerksamkeit buhlen als dass sie Freundschaften befeuern. Aber weil Barney so völliger Außenseiter bleibt, schafft sein Vater dann doch einen B*Bot heran, der wortwörtlich von einem Lastwagen gefallen ist und deshalb auch nicht ganz so funktioniert wie die anderen – es fehlt ihm der Zugang ins Netzwerk und deshalb all die Inhibitoren und Begrenzungen, die die Geräte eigentlich beim Start herunterladen, damit sie niemanden verletzen.

Anarchy in the OS

Sarah Smith, Jean-Philippe Vine und Octavio E. Rodriguez jagen in diesem ersten Spielfilm aus dem Hause Locksmith Animation also einen ganz und gar unschuldig-anarchischen Roboter namens Ron durch eine amerikanische Kleinstadt-Idylle, dem alle Regeln fehlen und der erst einmal verstehen muss, was er in der Welt soll. Wie geht das eigentlich, ein bester Freund sein? Barney und Ron, schnell in einer Schicksalsgemeinschaft verbunden, merken bald, dass sich das gar nicht so leicht nach bestimmten Regeln festlegen lässt.

Es geht dann ziemlich zur Sache in Ron läuft schief – natürlich will die Firma den regelbrechenden B*Bot wieder einfangen und zerstören, es treten also alle Klischees der Tech-Bros zwischen introvertiertem Nerd, Steve Jobs und Mark Zuckerberg auf (das ist wohl gerade so ein Zeitthema: Die Mitchells gegen die Maschinen winkt fröhlich aus dem Hintergrund). Das gibt Verfolgungsjagden und Aufregung, ein Hauch von Spielberg’schem Kleinstadtdrama.

Bemüht hier, leichtfüßig dort

Dabei gerät, das hat sich in diesem Text schon angedeutet, die Kritik an sozialen Medien, Überwachung durch große Digitalkonzerne, unsere Abhängigkeit von Technologie, durchweg etwas bemüht, zu geradeheraus und zu undifferenziert-schlicht – selbst wenn man einbezieht, dass der Film sich am Ende um eine Art von positiver Auflösung bemüht.

Was dafür ganz und gar großartig gelingt, ist Rons Persönlichkeit, seine liebenswerten (obgleich oft Fremdscham induzierenden) Versuche, Freund_innen für Barney zu finden; seine Unfähigkeit, sich andere Namen als jene zu merken, die mit “A” anfangen (es fehlt ihm so einiges an Datensätzen), die schrägen Momente, die daraus entstehen, dass er die Welt zunächst nur mit den begrenzten Mitteln verstehen kann, mit denen er aus der Box kam: “A bird commented on your face.”

Das ist stellenweise ganz, ganz großer Slapstick, es ist nie bösartig, stets gut gelaunt – und letztlich auch gegenüber jenen Mitschüler_innen fair, deren Freundschaft sich Barney so sehr (zurück)wünscht.

Ron läuft schief (Ron’s Gone Wrong). USA, Großbritannien 2021. Regie: Sarah Smith, Jean-Philippe Vine, Octavio E. Rodriguez, 106 Minuten. FSK 6, empfohlen ab 10 Jahren. Kinostart: 28.10.2021. Bei Disney+ in der Flatrate enthalten, auf zahlreichen Plattformen als VoD zum Kauf verfügbar. (amazon.de)

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(Fotos: Disney)

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