Festivals Filmkritiken

Weihnachten im Dschungel (2020)

Logo der Nordischen Filmtage Diese Filmkritik gehört zu meiner Berichterstattung von den Nordischen Filmtagen 2021 in Lübeck. Alle Filmbesprechungen und sonstigen Berichte von diesem Festival gibt es hier im Blog unter dem Tag #nordische-filmtage.

In Riga fällt schon Schnee, auch wenn es noch eine Weile hin ist bis Weihnachten, aber Paula freut sich schon jetzt darauf, mit ihrer Familie wie in jedem Jahr ein kleines Weihnachts-Theaterstück einzuüben. Aber natürlich steht gerade ein Umzug an: Von Lettland geht es nach Indonesien, wo Paulas Vater (Maris Olte) eine neue Arbeit gefunden hat.

Aber vor Ort ist natürlich alles anders: Keine Spur von Schnee, stattdessen überall Autos und Motorräder. In der Wohnung stehen noch Kisten vom Vormieter, und seine Hausangestellte hat er auch gleich dagelassen, das irritiert nicht zuletzt Paulas Mutter (Inga Alsina), die ihren Job als Schauspielerin aufgegeben hat und nun ja eigentlich Zeit hätte, sich um den Haushalt zu kümmern. Aber überall ist der Wurm drin, und auch Kate (Elizabete Liepa), die ältere Tochter, ist nicht besonders begeistert – zumal sie sich ein Zimmer mit Paula teilen muss.

Weihnachten im Dschungel schmeißt in einer recht klassischen Konstellation eine ganze Familie in einen fremden Kontext und drückt sie auch noch in eine für sie offenbar ungewohnte Konstellation: Der Vater arbeitet auf einmal die ganze Zeit, die Familie soll sich auf dem Empfang der Firma schön ordentlich benehmen, es ist alles sehr patriarchal und nicht besonders unterschwellig auch kolonial.

Die Töchter aber machen da nicht so richtig mit: Kate will zum Entsetzen ihrer Eltern ein Tattoo. Paula (Rebeka Suksta) betreibt weniger aktiven Widerstand, sondern macht halt, wonach ihr der Sinn steht. Einen Nashornvogel, den der Chef ihres Vaters geschenkt bekommt, lässt sie mit Akhim (Brydden Fablo Escobar), dem Sohn des Fahrers und ihrem Schulkameraden, heimlich frei: Die Königin des Dschungels darf nicht eingesperrt sein!

Der Vogel wird dann immer wieder einmal als Zeichen auftauchen, nachdem Paula und Akhim sich aufgemacht haben, um im Dschungel den Weihnachts-Schamanen aufzusuchen, den Akhim sich (wie viele andere Geschichten auch) ausgedacht hat, um Paula zu beeindrucken und zu beruhigen. Denn bei Paula gibt es daheim immerzu (es war ein wenig vorhersehbar) Streit zwischen den Eltern, und Paula möchte sich als Weihnachtswunder Versöhnung wünschen.

Road Movie im Regenwald, ohne Straßen

Es folgt dann gewissermaßen ein Road Movie im Regenwald: Die zwei Kinder verirren sich in eine Ruine, fliehen vor zwei Polizisten, stürzen in eine Höhle, werden von einer sehr seltsamen Person gerettet, kommen durch ein Dorf, dessen Bewohner_innen sie zunächst für Kannbal_innen halten, bevor sie einer Gruppe Umweltaktivist_innen helfen, gegen eine illegale Goldmine vorzugehen. Währenddessen sind aufgeregte Eltern und viele Polizisten damit beschäftigt, die zwei zu suchen…

Das ist etwas holprig und recht mühsam und vorhersehbar konstruiert, zudem von Jaak Kilmi auch ohne große Überraschungen inszeniert – ganz langweilig ist es aber doch nicht. Dafür sorgen einige charmante Wendungen, die vor allem mit der zu wenig genutzten Figur von Kate zu tun haben. Seine kolonialistisch-exotistische Perspektive kann Weihnachten im Dschungel nie ganz abschütteln, aber bricht die meisten dann doch.

Die vermeintlich primitiven Dorfbewohner_innen zücken bei erster Gelegenheit alle ihre modernsten Smartphones, der sich als Kolonialherr inszenierende Firmenchef ist nicht nur unangenehmer Patriarch, sondern auch Verbrecher. So geht es ein wenig weiter; aber es ist eben doch so, dass hier die großäugige Perspektive der Europäischen Familie auf die Fremde dominant bleibt. Das bleibt erträglich und sogar amüsant, weil ihre Ahnungslosigkeit auch immer wieder ausgestellt wird, ihr Fremdeln der ganzen Geschichte eingeschrieben ist.

Wohin das am Ende führt, bleibt auch im Happy End angenehm offen – dafür gibt es große Landschaftsaufnahmen, aufregende Abenteuer, falsche und echte Schlangen, kandierte Heuschrecken und vieles mehr.

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Weihnachten im Dschungel (Ziemassvetki dzunglos/Christmas in the Jungle). Lettland, Estland, Slowenien 2020. Regie: Jaak Kilmi, 95 Minuten. Bisher ohne FSK, empfohlen ab 8 Jahren.

(Fotos: Locomotive)

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