Filmkritiken

Hotel Transsilvanien (2012)

Wie im vorherigen Jahr schon bespreche es auch 2020 hier jetzt jeden Mittwoch bis Halloween einen Gruselfilm für Kinder aus meiner Liste – weitere Vorschläge werden gerne angenommen! #horrorctober

„Ich sage nie ‚Bla-bla-bla‘!“ Graf Dracula ist wirklich erzürnt, dass immerzu alle so tun, als spräche er genervt und mit heraushängender Zunge… aber vor allem ist er irritiert, dass diese Menschen so gar keine Angst vor ihm zu haben scheinen.

Es ist eine Szene ziemlich am Ende von Hotel Transsilvanien, die den Grafen (von seinen Freunden nur „Drac“ genannt) und seine Monsterfreunde (Werwolf, Frankensteins Monster, der Unsichtbare, die Mumie) mit jener gelassenen Haltung gegenüber Monstern konfrontiert, die bereits den ganzen Film als Erzählhaltung durchzogen hat. Die Monster aus dem klassischen Universal-Monsterkosmos sind keine bedrohlichen Wesen mehr, sondern lustige Kultfiguren, denen Nerds und Fans begeistert gegenüberstehen.

Auf diese Weise ist Hotel Transsilvanien also eine kinderfreundliche Variante der klassischen Filmmonster (es treten auch noch auf: Zombies, Skelette, Geister, Hexen), in der den Schreckensfiguren, sieht man von ihrem womöglich gruseligen Äußeren) wirklich jeder Schrecken genommen wird zugunsten einer Positionierung irgendwo zwischen Niedlichkeit (der Blob als animierter Wackelpudding) und sympathischer Hilflosigkeit (der Werwolf im Umgang mit seinem zahlreichen Nachwuchs).

Nicht jedes Kind verträgt Horror- oder Gruselfilme wirklich gut. Ich empfehle dringend: Film vorher selbst anschauen, aufs eigene Kind gucken und überlegen: Hält es das aus? Vielleicht besser im Hellen schauen als im Dunkeln? Lieber doch mit etwas ganz und gar Harmlosem einsteigen?

Nur Dracula selbst setzt manchmal ein erschreckendes Gesicht ein, wenn er sich anders nicht mehr zu helfen weiß; die einzig wirklich insgesamt bedrohliche Figur ist der Koch Quasimodo, der sich für Menschen nur insofern interessiert, dass er sie gerne zu Abendessen verarbeiten möchte, um den Hotelgästen etwas Besonderes servieren zu können.

„Hotel Transsilvanien“ ist nicht nur der Titel des Films, sondern auch der Name des Hotels, das Dracula eröffnet hat: Ein sicherer Urlaubshafen für alle Monster, in dem sie geschützt sind vor den Anfeindungen und Verfolgungen durch die Menschen. So weit, so gut, so umgedreht; der Handlungstwist ist dann natürlich, dass im Transsilvanien der Gegenwart ein freundlicher, harmloser Mensch und Weltreisender eher zufällig zur Tür hereinspaziert …

Das wird für Dracula doppelt zum Problem, denn zum einen hat sein Hotel einen Ruf als menschensicher zu verlieren, zum anderen ist dieser Jonathan sogleich seiner Tochter Mavis sehr sympathisch, die auch mit 118 Jahren noch glaubt, Menschen seien sehr gefährlich. Papa Dracula tut alles, um seine Tochter im sicheren heimischen Haus zu behalten, denn er erträgt den Gedanken nicht, dass sie wie ihre Mutter von bösen Menschen umgebracht werden könnte…

Mit anderen Worten: Hotel Transsilvanien erzählt, mit Monstern und historisch begründetem Trauma, eine letztlich klassische Geschichte vom Papa, der seine Teenager-Tochter nur nach seinen eigenen Regeln in die Welt lassen will. Dazu täuscht er ihr auch in einer großen Inszenierung vor, wie furchtbar und schrecklich die Welt ist, weil er – das kommt natürlich im Laufe des Films heraus – lieber seine Tochter belügt als zu riskieren, dass sie auf eigenen Beinen (mit eigenen Flügeln, auch sie kann sich in eine Fledermaus verwandeln) mit den Gefahren der Welt konfrontiert wird.

Szenenbild aus Hotel Transsilvanien - (c) Sony Pictures

Natürlich, so modern ist der Film dann doch, wird der so besorgte Vater geläutert und versteht vielleicht sogar ein wenig, dass seine Tochter ihren eigenen Weg gehen muss undsoweiter, undsofort, bla-bla-bla, das ist alles sehr generisch und bleibt es auch; Papa ist und bleibt die Hauptfigur, und alle wirklich für die Handlung relevanten Monster um ihn rum sind ebenso männlich: Ein großer Jungenverein, lauter halb erwachsene Männer und die einzig vernünftige ist die frisch erwachsene Tochter.

So unterhaltsam das Ganze nämlich ist – und vor allem visuell folgt hier ein cleverer Gag auf den nächsten – so hat mich schon an der Oberfläche immer schon gestört, dass in Hotel Transsilvanien die Monster allzu sehr reduziert werden, ihnen mit dem Schrecken auch all ihr Kontext, all ihre Ambivalenz, all ihre kulturelle Bedeutungen abhanden kommen.

Schlimmer aber noch ist dies: Das eigentliche Monster dieses Films, die patriarchale Ordnung, wird nicht einmal im Ansatz angegriffen, bedroht, gestürzt. Es bleibt im Schatten, wirksamer, grausamer, mit ganz und gar freundlichem Gesicht.

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Hotel Transsilvanien (Hotel Transylvania). USA 2012. Regie: Genndy Tartakovsky, 92 Min. FSK 6, empfohlen ab 9 Jahren. Kinostart: 25. Oktober 2012. (Bei amazon.de bestellen)

(Fotos: Sony)

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