Diese Filmkritik gehört zu meiner Berichterstattung vom LUCAS Kinderfilmfestival 2021 in Frankfurt a.M. Alle Filmbesprechungen und sonstigen Berichte von diesem Festival gibt es hier im Blog unter dem Tag #lucas.
Mit einer Zwille macht die 11-jährige Kenza Jagd auf nicht besonders kleine Echsen. Anschließend bietet sie das gefangene Tier vorbeifahrenden Leuten an: “Wollt Ihr einen Leguan?” Ihr Vater ist nicht so begeistert.
Ouira (Everon Jackson Hooi) ist Polizist, als alleinerziehender Vater hat er eigentlich schon genug Sorgen, es muss nicht sein, dass seine Tochter auch noch durch die Kakteenlandschaften zieht und Unsinn macht. Noch weniger gefällt ihm, dass sein Vater Weljo (Felix de Rooy) ihr so viel von der Welt der Geister erzählt, ihr mystische Geschichten in den Kopf setzt; er sammelt Rohre und Autoteile für eine große Konstruktion und wartet darauf, dass der Wind sich dreht.
Eché Janga erzählt vom Leben auf der Karibikinsel Curaçao als Konflikt zwischen Traditionen und Moderne, zwischen Rationalismus und Mythologien. Das ist, vor allem in dieser Familie, vor allem ein Generationenkonflikt, und wie es bei Familien so ist, sind die Furchen der größeren gesellschaftlichen Themen auch immer durch persönliche Verletzungen und Fehler eingefärbt, vertieft und mit eigenen Mustern verändert.
Buladò inszeniert das zum Beispiel auch als Konflikt der Sprachen, hier das Niederländisch, das Ouira spricht, dort Weljos Papiamentu. Kenza (Tiara Richards) steht immerzu zwischen diesen Polen: Sie spricht mal dies, mal jenes, die Sprachwahl ist natürlich auch ein Mittel der Annäherung und Abgrenzung, an den Großvater, vom Vater.
Zugleich wirkt sie wie die Synthese dieser beiden gegensätzlichen Männer: Ouira ist viel mit seinem Auto unterwegs, sammelt auch immer wieder – mal genervt, mal gelassen, väterlich halt – die Tochter irgendwo ein. Der Großvater sammelt Schrott und baut daraus Windspiele, abstrakte Konstruktionen, sorgt für Geräusche im Wind (der sich am Ende, allen Beteuerungen des Vaters zum Trotz, natürlich doch einmal drehen wird, und damit ein Ende einläutet, das der ganze Film schon angekündigt hat). Und Kenza ist diejenige, die sich unters Auto schiebt und repariert, irgendwo zwischen Schrott und Fahrtüchtigkeit.
Dieser lange, ruhige Film lässt sich nicht auf schnelle Bilder und Positionen ein, auch nicht auf klare Zuordnungen oder Konflikte. Zu verwoben sind alle diese Themen, von Tradition und Aufbruch, Sehnsüchten und Pflichten, Trauer und Verarbeitung. Am Ende, wenn als große Bilder ein rostiges Schiff am Meer liegt, ein Sarg und eine Pistole auftauchen, ist dann die Familie doch vor allem eine Einheit, in der Zuneigung und Gemeinschaft, Sicherheit zu finden sind; welchen Weg Kenza dann wählen wird, bleibt offen, aber jedenfalls hat sie unterschiedliche Optionen kennengelernt.
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Buladò. Niederlande 2020. Regie: Eché Janga, 86 Minuten. Ohne FSK-Einstufung bisher, empfohlen ab 10 Jahren. Noch ohne dt. Kinostart.
(Foto: DFF/Lucas/Picture Tree International GmbH)