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Ist Soljanka exotisch? „logo! extra“ berichtet für Westkinder vom Mauerfall

Es ist ja Mauerfall-Jubiläum, das kriegen die Kinder auch in der Schule mit, und mit entsprechend vielen Fragen sehen wir uns konfrontiert. Weil es uns immer Spaß macht, durch gezielte Informationen noch weitere Nachfragen zu provozieren, haben wir uns dann heute nachträglich die Sonderausgabe der (ganz wunderbaren) Kinder-Nachrichtensendung logo! von gestern angesehen: „logo! extra – Als Deutschland geteilt war – 25 Jahre nach dem Fall der Mauer“ (Link führt zum Video in der ZDF-tivi-Mediathek). Und jetzt sind wir ein wenig irritiert.

Nicht, dass da irgendetwas falsch wäre, was in der Viertelstunde berichtet wird – das ist alles richtig und schon recht so, aber die Perspektive auf die Vergangenheit, die in der Sendung eingenommen wird, ist eine – so scheint mir – durch und durch westdeutsche.

So steht der „Bundesrepublik Deutschland“ immer die „DDR“ entgegen, nur einem wird „Deutsche Demokratische Republik“ ganz ausgesprochen. Erklärt wird auch immer nur, wie es vor dem Mauerfall in der DDR war; dadurch entsteht implizit der Eindruck, in der BRD sei es seinerzeit im Grunde immer so gewesen, wie es im heutigen, vereinten Deutschland auch sei. Oder anders gewendet: Die Kenntnis der Zustände in Westdeutschland wird implizit (bei den Kindern als: von den Eltern überliefert) vorausgesetzt – und damit richtet sich der Bericht eben eigentlich auch nur an ein westdeutsches Publikum.

Am deutlichsten wird das in dem Segment, in dem Soljanka vorgestellt wird, serviert in einem Lokal auf dem Brocken – Kindern aus dem Osten muss man wahrscheinlich nicht erklären, was das ist, Wessis womöglich schon. Soljanka wird wie eine etwas exotische Speise vorgestellt, fremd und interessant: ein Ausflug in den wilden Osten. Hätte man nicht auch ein typisches Gericht aus einer grenznahen Region im Westen vorstellen können?

Die Moral von der Geschicht’ – zugleich implizite und explizite Aussage des Beitrags – ist leider: Der Osten ist vom Westen schlichtweg ge- und verschluckt worden. Zumindest glaubt der Westen das. Die siebzehn Minuten logo! extra behaupten die kulturelle Hegemonie des Westens über den Osten, und verstärken sie zugleich. Das ist, auch wenn es wahrscheinlich nicht beabsichtigt war, sehr schade. Denn der Einheit, die in dem Beitrag immer wieder als vollzogen und gelungen beschrieben wird, tut man damit einen Bärendienst.

Wie habt Ihr den Beitrag von logo verstanden?

(Mit Dank an S*** für den Hinweis!)

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