Filmkritiken

Hexen hexen (1990)

Was für ein Monstrum von Kinderfilm. Eine Alptraummaschine, ein Abgrund schwarzer Märchengeschichten, und eben unbestreitbar, unwiderlegbar ein Kinderfilm. Aber keiner, den wir jedem Kind zeigen sollte, das ist nur etwas für jene, die sich bei Schauergeschichten wohl fühlen, oder wohlig verängstigt jedenfalls, und nicht wochenlang wachliegen aus Angst vor dem monströsen Gewächs, das auf einmal Anjelica Hustons Nase sind.

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Nicolas Roeg hat das inszeniert, ein etwas ungewöhnlicher Punkt in seiner Karriere, die seinerzeit mit Wenn die Gondeln Trauer tragen so richtig begann. Hexen hexen ist ein Film von eigenartiger Dramaturgie: Ein wenig wahllos zunächst und dann in einer ganz plötzlich sich auftürmenden Konfrontation kulminierend, die alles weitere vorbereitet und im Grund schon entscheidet. Der kleine Luke gegen einen Raum voll Hexen, die ihn alle tot sehen wollen oder wenigstens in Mäuseform – und dass es ihnen gelingt, ist ihr eigentlicher Untergang.

Und mittendrin Anjelica Huston als Oberhexe – kalt, distanziert, mit lebloser Mimik, die sich diegetisch aus den Masken erklärt, die sie über ihrer wahren Hexenfratze trägt. Die Kamera rückt immer ganz nahe an sie und die anderen Hexen heran, bis die Gesichter durch das Objektiv verzerrt erscheinen, schiefe Zähne, haarlose Köpfe. Überhaupt ein Film übers Sehen und Nicht-Sehen: minutenlang versteckt sich Luke vor den Hexen hinter einer spanischer Wand voller Lücken, sehend, ungesehen. Verzauberte Menschen tauchen in Gemälden auf, gesehen, unsehend. Das alles ist alptraumhaft und schrecklich, und insofern treffend, denn hier wird eine Erzählung von Roald Dahl verfilmt, dem Großmeister des sehr düsteren britischen Humors.

Ja, ja, doch, Humor: So wenig komisch das alles sein mag und so wenig kindgerecht: Es ist ein Kinderfilm und eine Komödie, lustig und schrecklich zugleich, unschuldig und traumatisierend. Man kann, man darf ihn eigentlich Kindern nicht zeigen, wirklich nicht, aber man muss ihn sehen mit der Unschuld des Kindes und der gefestigten Widerständigkeit gegen Alpträume, die nur Erwachsene schon mitbringen. Und nur mit dieser Kombination wird dann auch ganz klar, warum das eine Komödie ist.

So misogyn das alles daherkommt, die Hexe als stereotyp wieder belebend und in Frauen das Böse sehend: Es sind die wenigen Männer, die hier nur in Nebenrollen auftauchen, die schlecht wegkommen. Der eine, verheiratet, verfällt sogleich und auf den ersten Blick der kalten Erotik der Oberhexe, ihrer aufgerichteten Gestalt und dem tiefen Dekolletee. Der andere, Hoteldirektor, hält sich eine seiner Angestellten als Geliebte und ist ansonsten ein Mensch eher ohne Rückgrat.

Nur Luke rettet die Ehre des männlichen Geschlechts, weil er unschuldig und ohne Hintergedanken, dabei schnell im Kopf, wagemutig und mit guten Ideen, nach Lösungen strebt, vor allem selbstlos: Denn er will nicht zuerst wieder in Menschengestalt verwandelt sein, sondern verhindern, dass die Hexen dies auch allen anderen Kindern antun wollen.

Es ist die konsequente Perspektive des Kindes bzw. des Kindes-als-Maus, die Hexen hexen so sehr zum Kinderfilm macht, im Herzen unschuldig und staunend gegenüber dem Bösen, das da schaltet und waltet in der Welt und das die meisten Erwachsenen nicht sehen können, weil sie mit ihren Ängsten und Begierden, also mit sich, so sehr beschäftigt sind. Es braucht den unschuldigen oder wenigstens klaren Blick, den Luke bzw. seine Großmutter Helga haben, um das Übel zu sehen und bekämpfen zu können.

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Hexen hexen (The Witches), Großbritannien 1990. Regie: Nicolas Roeg, 91 Min. FSK 6 (aber frühestens ab 10 Jahren empfohlen), Kinostart: 28. Juni 1990. Auf DVD erhältlich.

(Fotos: Disney)

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