Filmkritiken

Spider-Man: A New Universe (2018)

Ich bespreche hier in der Regel ja die großen Superheld_innenfilme von Marvel und DC nicht. Die großen Blockbuster unter ihnen richten sich vor allem an ein Publikum von Jugendlichen bis Erwachsenen und tragen ihre FSK-Freigabe ab 12 Jahren völlig zu Recht, so deutlich (wenn auch meist blutarm) fallen Gewalt und Actionszenen darin meist aus. Damit fallen diese Filme für mich, wie ja auch die Star Wars-Filme, nicht in den Bereich „Kinderfilm“, auf den ich mich hier gerne beschränken will.

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Für Spider-Man: A New Universe möchte ich eine kleine Ausnahme machen. Ein richtiger Kinderfilm ist das freilich nicht, aber doch ein Superheld_innen-Streifen, der schon für Zehnjährige zugänglich ist – allenfalls etwas überfordernd in seiner ästhetischen wie narrativen Informationsdichte, aber das ist in diesem Fall (ähnlich wie bei The Lego Movie) eher ein Grund, den Film noch öfter anzusehen, oder später einmal mit größerem Verständnis für viele Details, die man übersehen haben mag.

Ich habe diese Variation auf den Spider-Man-Filmkosmos erst jetzt sehen können, nachdem ich schon zahlreiche Besprechungen und Lobpreisungen vor allem in Bezug auf seine Animationstechnik gelesen hatte und er den Oscar als bester Animationsfilm längst (und ich möchte sagen: zurecht) gewonnen hatte; aber Spider-Man: A New Universe ist ein wirklich in jeder Hinsicht bemerkenswerter, hochkomplexer Film, der viele der großen Marvel-„Realfilme“ in ihre Schranken verweist, einfach deshalb, weil er sich enger an ihr Ursprungsmedium, den Comic anschmiegen kann und will.

Der Spider-Man von Regisseur Sam Raimi war 2002, noch drei Jahre vor Christopher Nolans Batman-Trilogie, im Grunde der Auftakt zur Wiedergeburt der Superheld_innen im Kino: Weg von den albernen Schlafanzug-Trägern à la Batman hält die Welt in Atem (ein allerdings in seiner Unernsthaftigkeit durchaus großartiger Film von 1966, der sich auch als großes Vergnügen mit Kindern sehen lässt) hin zu einer Geschichte, die so gut aussah, wie es der Zeit entsprach, und zugleich Spider-Man ernsthaft als Coming-of-Age-Geschichte mit Superkräften erzählte, mit einem zweifelnden, unsicheren Helden, der immer zuallererst mit sich selbst zu kämpfen hat – im Grunde die Blaupause für solche Figuren bis heute (und strukturell zum Beispiel für Kinder in Antboy nachgebildet).

Inzwischen gab es schon zwei Reboots dieser Reihe gab – auf Tobey Maguire folgte erst Andrew Garfield, bevor in Spider-Man: Homecoming der Held Peter Parker in Gestalt von Tom Holland seinen Weg ins „Marvel Cinematic Universe“ fand. (Dass es so lange dauerte, den Spinnenmann ins MCU zu integrieren, hat mit Lizenzfragen zu tun, die z.B. auch die Figuren der X-Men, Deadpool und die Fantastic Four betreffen; nachlesen kann man das z.B. hier oder hier.) Quasi parallel zu diesen Filmen – deren neuester, Spider-Man: Far From Home, seit dieser Woche im Kino läuft – erzählt Spider-Man: A New Universe eine Geschichte aus dem Multiverse, in dem die Comic-Geschichten von Spider-Man oft lokalisiert sind: Eine Welt von Paralleluniversen, in denen Spider-Man in unterschiedlichen Inkarnationen existiert, so dass sich strukturell ähnliche Geschichten in verschiedenen Kontexten erzählen lassen. (Oder so habe ich es zumindest verstanden.)

In der Ursprungswelt von Spider-Man: A New Universe wird der junge Miles Morales, Kind eines schwarzen Polizisten und einer puerto-ricanischen Krankenschwester, bei einem nächtlichen Sprayer-Ausflug von einer radioaktiven Spinne gebissen. Während er verwirrt feststellt, dass er die gleichen Fähigkeiten entwickelt wie Spider-Man, erlebt er, wie eben dieser – in Miles‘ Welt sowohl Held aus Comicheften wie auch real existierendes Alias von Peter Parker – vom Green Goblin ermordet wird. Zugleich hat Superbösewicht Wilson Fisk, für den der Goblin arbeitet, einen Teilchenbeschleuniger gebaut, der ein Tor zu Paralleldimensionen öffnet. Schon bald darauf begegnet Miles verschiedenen anderen Spider-Man-Inkarnationen: einem leicht untersetzen Peter Parker mitten in der Midlife Crisis, Spider-Woman Gwen Stacy, einem schwarz-weißen Spider-Man in Trenchcoat und Hardboiled-Detective-Habitus aus den 1930er Jahren, ein im Manga-Stil erscheinendes Mädchen aus dem New York der Zukunft und Spider-Ham, einem sarkastischen Cartoon-Schwein.

Ja, das ist ein bisschen bekloppt, aber auf die allerbeste Weise, und wird im Film so elegant erzählt, dass es keine Verwirrung gibt (zumal die Detailfragen, was da bitteschön warum und wie genau passiert ist, ebenso elegant überspielt werden). Entscheidend ist aber, in was für Bildern der Film erzählt. Denn Spider-Man: A New Universe ist ein Comic-Film, der auf der Leinwand nachahmt, was das Medium auf dem Papier kann – und es mit spezifisch Filmischem zum Laufen, zum Flirren bringt.

Da wird das Bild in mehrere Panels aufgeteilt, die unterschiedliche Perspektiven oder Orte zeigen – damit wird das Geschehen wahlweise dynamischer gemacht oder Getrenntes miteinander verbunden; die Wahl der Ästhetik greift immerzu auf unterschiedliche Comicstile zurück, insbesondere sind die Spider-Protagonist_innen in unterschiedlichen Stilen gezeichnet und so noch stärker differenziert. Für erwachsene Augen fühlt sich manche Szenenfolge womöglich überfordernd an, aber den Regisseuren Bob Persichetti, Peter Ramsey und Rodney Rothman gelingt es, das so zu gestalten, dass man auch folgen kann, wenn man nicht alles erfolgreich zuordnen kann – das ist bei zum Teil fünf bis sechs Bildern gleichzeitig auch zuviel verlangt.

Und dann bremst der Film aber eben auch ab, für wahrhaft kinematographische Momente, Breitwandformate von atemberaubender Größe und Schönheit.

Ob Kinder den Verwicklungen folgen wollen und können, hängt wahrscheinlich auch davon ab, ob und wie sehr sie mit den Spider-Man-Comics vertraut sind oder zumindest die Grundzüge des Genres verstehen; denn das Universum an sich, in dem sich Miles bewegt, wird hier weder erklärt noch besprochen, sondern nur gezeigt. Ob man diese vielen zusätzlichen, nicht weiter erklärten Ebenen als angedeutete Komplexität hinnehmen mag oder einfach nur genervt ist von den vielen Fragezeichen, die diese furiose, womöglich beste Spider-Man-Kino-Inkarnation aufwirft und stehen lässt, ist womöglich eine Charakter-, wenigstens eine Haltungsfrage. Ein aufregender, wunderschöner Riesenspaß, in dem auf einmal Große und Kleine, Mädchen und Schweine ebenso Superheld_innen werden können wie der All-American White Boy Peter Parker, ist Spider-Man: A New Universe auf alle Fälle.

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Spider-Man: A New Universe (Spider-Man: Into the Spider-Verse). USA 2018. Regie: Bob Persichetti/Peter Ramsey, 117 Min. FSK 6, empfohlen ab 10 Jahren. Kinostart: 13. Dezember 2018. (Bei amazon bestellen.)

(Fotos: Sony Pictures)

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