Filmkritiken

Willkommen im Wunder Park (2019)

Es gab in den letzten Jahren gefühlt vermehrt Filme, in denen die kindlichen bis jugendlichen Protagonist_innen eine persönliche Krise bewältigen und bearbeiten, indem sie sich mit einer imaginierten oder vom Film inszenierten phantastischen Figur oder Bedrohung auseinandersetzen. Herausragend ist dabei Sieben Minuten bis Mitternacht, im Grunde macht auch I Kill Giants ähnliches. Dass in beiden Fällen eine schwere Krankheit der Mutter (bei abwesendem Vater) Auslöser für die Krise ist, mag Zufall sein; zumindest bei Sieben Minuten bis Mitternacht weiß man durch das verfilmte Buch, dass jedenfalls die Drehbuch-Autor_innen nicht einfach die billigste, weil dramatischste Krise aus dem Repertoire gegriffen haben.

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Und nun also Willkommen im Wunder Park, an dessen Titel mich das überflüssige und definitiv falsch gesetzte Leerzeichen wahnsinnig nervt; aber das sollte den Film nicht schlechter machen. Weitere Witze ließen sich machen darüber, dass im Abspann kein Regisseur genannt wird, als sei der Film quasi das mechanistische Produkt kapitalistischer Interessen (sprich: der Produktionsfirma), aber das ignoriert natürlich, dass der sehr wohl existierende Regisseur wegen übergriffigen Verhaltens gefeuert und sein Name deshalb gestrichen wurde.

Das Grundgerüst jedenfalls ist bekannt: Die kleine June hat ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Mutter, mit der sie gemeinsam eine Phantasiewelt immer weiter ausbaut. In ihrem Kopf entsteht ein Freizeitpark voller wahnwitziger Attraktionen und Abenteuer – im „Wunder Park“ zaubert Affe Peanuts mit einem Zauberstift riesige Karussells, Rutschen und Achterbahnen herbei. Der blaue Bär Boomer begrüßt die Gäste, Wildschwein Greta ist für die Sicherheit verantwortlich… es ist ein wildes, aber nicht uninteressantes Durcheinander.

Eine Familie im Durcheinander

Junes Mutter wird krank – man erfährt nie genau, was sie hat, es scheint auch kein Gespräch dazu zu geben, sie verschwindet einfach irgendwohin, vermutlich in ein Krankenhaus –, und ohne ihre Mutter fehlt June der Mut, am „Wunder Park“ weiterzuarbeiten. Irgendwann (wie viel Zeit im Film vergeht, wird nie wirklich klar) schickt ihr Vater June dann in ein Mathe-Camp, um sie ein wenig abzulenken. Noch im Bus dorthin hat sie allerdings Schreckensvisionen von ihrem allein völlig hilflosen Vater, verdrückt sich während einer Fahrtpause und wandert durch den Wald zurück in die Stadt.

Oder besser: Sie versucht es. Denn plötzlich findet sie sich in ihrem eigenen „Wunder Park“ wieder und kann ihn auch nicht verlassen. Dort ist alles in Unordnung geraten, weil sich niemand mehr um den Park kümmert, Peanuts und die anderen Tiere sind ständig auf der Hut oder Flucht vor einer Armee bösartig gewordener Spielzeugäffchen, und über allem dreht sich drohend-gefräßig die „Dunkelheit“, die sich als finsterer Wolkenwirbel am Himmel dreht und nach und nach den Park zu vernichten droht.

Die Assoziation zu Michael Endes „Nichts“ aus Die unendliche Geschichte liegt da sehr nahe, und im Grunde deutet das auf das schon angedeutete Grundproblem der ganzen Geschichte, die Willkommen im Wunder Park erzählen will: Da wurden lauter Versatzstücke aus anderen Geschichten zusammengeschraubt, geklebt und getackert, und das soll jetzt irgendwie mitreißen.

Visuell ein echter Wunderpark

Visuell funktioniert das weitgehend: Der Park ist, vor allem in seiner verfallenden Form, ein bezaubernd vielfältiges Phantasiereich voll kleiner Details und toller Ideen, der ganze Film sieht insgesamt gut aus, auch wenn vor allem bei den Figuren wenig Originelles, wirklich Eigenes in Animation und Ästhetik zu sehen ist – aber das muss auch nicht immer sein. Dazwischen gibt es nette Ideen: Boomer hat immer wieder Schlafattacken, weil er offenbar nicht genug Winterschlaf bekommt (oder so), das Stachelschwein Steve ist heimlich in Greta verliebt und zu schüchtern, es ihr zu sagen. Und dass hier ein Mädchen nicht nur phantasievoll, sondern auch mathematisch begabt ist und eher an Klebeband und Schraubenschlüsseln interessiert ist als an Rüschen und Rosa, ist zumindest erfrischend, wenn auch nicht wahnsinnig originell.

Für eine wirklich auch psychologisch komplexe Geschichte ist dann aber nicht nur alles zu derivativ (einige Szenen wirken um zwei Ecken von Pixar abgekupfert), es geht auch zu wenig ins emotionale Detail. Stattdessen gibt es dann eine Actionsequenz nach der anderen, deren Abfolge sich zuweilen eher zufällig zu ergeben scheint; das ist nach einer Weile dann ein wenig hektisch und dadurch in 3D gelegentlich auch schwer nachvollziehbar oder erträglich.

Man kann sich das deshalb durchaus ansehen; aber mehr als ein deutlich überdrehter Kinobesuch wird daraus kaum. Was ich allerdings, auf Anregung von Boomer hin, gerne einmal ausprobieren möchte, ist sein Rezept für eine Marshmallow Calzone. Bon appetit !

Lena im Interview

Lena Meyer-Landrut spricht in der deutschen Fassung die Stimme von June, der Protagonistin von Willkommen im Wunder Park. Ich hatte vor dem Kinostart die Gelegenheit mit ihr zu sprechen: Über die Herausforderungen des Synchronisierens, wie man sich den Prozess vorstellen muss – und natürlich über ihre drei liebsten Kinderfilme.

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Willkommen im Wunder Park (Wonder Park). USA/Spanien 2019. Regie: Dylan Brown, 85 Minuten. FSK 0, empfohlen ab 8 Jahren. Kinostart: 11. April 2019. (Bestellen bei amazon)

(Foto: Paramount)

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