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Ein paar Absätze zum deutschen Kinderfilm

An diesem Donnerstag beginnt in Weimar eine kleine, sehr feine Tagung, auf die ich mich jetzt schon seit Monaten freue: „Zukunft Kinderfilm“, organisiert vom Kuratorium junger deutscher Film. Die Tagung steht unter dem Motto „Lasst uns die Zukunft des Kinderfilms gemeinsam gestalten!“ und lässt, hurra, das Ergebnis wirklich sehr, sehr offen.

Dass die Tagung dennoch eine bestimmte Richtung nehmen könnte, lässt sich schon aus der ersten Pressemitteilung ablesen:

Alles ist möglich! – betrachtet man die Welt aus Kinderaugen. Auf der Kinoleinwand hingegen sehen Kinder seit Jahren hauptsächlich bekannte Bücherhelden, ein Sequel jagt das nächste. […] Kindern im Kino ein breites Spektrum an Filmen zu präsentieren und sie mit unterschiedlichsten Themen und visuellen Macharten für das Kino zu begeistern, kann ein Schlüssel sein, um das Kinopublikum von morgen zu gewinnen.

Daher fragen wir uns:

  • Was möchten Kinder unterschiedlicher Altersgruppen im Kino sehen?
  • Wie und wo sind die einzelnen Zielgruppen zu erreichen?
  • Was sind Erfolgs- und Qualitätskriterien für Kinderfilme?
  • Wie lassen sich die Erfolgschancen des deutschen Kinderfilms optimieren?

Die Ausschreibung spricht – Leser_innen dieses Blogs ahnten es sicher schon – in vielem tief aus der Seele. Ich freue mich auf den Austausch und werde hier im Blog auf jeden Fall berichten.

Vorab aber vielleicht, auch zum Ordnen meiner Gedanken, ein paar Absätze zu Gegenwart und Zukunft des deutschen Kinderfilms. Keine Thesen, originell ist das auch nicht, was ich zusammentrage, sondern eher eine Bestandsaufnahme mit Fragen:

Im Kontext des deutschen Films schneidet der Kinderfilm wirtschaftlich relativ gut ab.

Sieht man sich die Zahlen der Filmförderungsanstalt (FFA) an – falls ich hier etwas falsch interpretiere, bitte ich erfahrenere Statistikleser_innen um Korrektur –, entfallen in den letzten Jahren mit Schwankungen etwa 25% der Kinobesuche in Deutschland (und damit 20-25% des Umsatzes) auf Filme, die zumindest mit deutscher Beteiligung entstanden sind. (In Frankreich und Großbritannien ist der Anteil der „heimisch“ gesehenen Filme mit etwa einem Drittel noch einmal deutlich höher). Unter den Top 20 der deutschen Filme waren dabei sieben (2017) bzw. acht Kinderfilme (1. Halbjahr 2018).

Deutsche Kinderfilme sind fast immer Verfilmungen und/oder Fortsetzungen.

Darüber beschwere ich mich heute nicht zum ersten Mal. Sowohl 2017 und 2018 waren jeweils ein Viertel der Filme in den Top 100 Kinderfilme – darunter befanden sich in beiden Jahren zusammengenommen insgesamt vier Filme, die nicht auf einer (meist) literarischen oder (selten) anderweitigen Vorlage beruhen. In stark absteigender qualitativer Reihenfolge: Königin von Niendorf, Auf Augenhöhe, Amelie rennt, Überflieger – Kleine Vögel, großes Geklapper. (Grenzfälle sind vielleicht Die Pfefferkörner, die auf der TV-Serie basieren, und Hilfe, ich habe meine Eltern geschrumpft – allerdings die Fortsetzung von Hilfe, ich habe meine Lehrerin geschrumpft, welches wiederum auf einem Buch basiert.)

Die deutsche Filmförderung ist an diesem Elend wohl mitschuldig.

Gerade erst im vergangenen Jahr gab es (wieder einmal) sehr lange Diskussionen zu der Frage, wie eigentlich die Filmförderung in Deutschland sich zu verstehen habe – primär als Wirtschafts- oder primär als Kulturförderung? Die Praxis (und neue Richtlinien der FFA) deuten eher in die erste Richtung, aber natürlich gibt es genug Stimmen, die sich (mit zum Teil sehr konkreten Ideen) für eine kulturelle Ausrichtung aussprechen. Oder man schlägt den Bogen noch weiter – erst im April dieses Jahres hat sich eine Tagung in Frankfurt an den ganz großen Wurf gewagt.

Das Problem mit der Filmförderung ist da, wenn man Edgar Reitz folgt, der sich dazu erst kürzlich wieder geäußert hat, dass die Bewerbungen bei verschiedenen Institutionen dazu führen, dass alle Filme sich in einem alltäglichen Mittelmaß zusammenfinden:

Es entsteht sozusagen eine nationale Filmästhetik, die durch dieses System zustande kommt. Das Ergebnis ist, um es auf einen einfachen Begriff zu bringen: In den deutschen Filmen spielt Relevanz, also „diskutierbarer Inhalt“, der als relevant empfunden oder definiert wird, eine entscheidende Rolle.

Mittelmaß kann es ja nicht sein, aber was wollen wir denn eigentlich?

Das ist in der Tat die spannende Frage, die allen anderen vorangestellt sein will: Was sind eigentlich die Kriterien, die einen „guten“ Kinderfilm ausmachen? Welche Begriffe gibt es da – Originalität? Authentizität? Ästhetik? Politische Bedeutung? -, oder gehen wir doch zum (bitte nicht) „lehrreichen“ Kinderfilm zurück? Oder zählt nur gute Unterhaltung? Und wenn ja, was sollte das genau sein?

Die Frankfurter Tagung hat in ihren „Frankfurter Positionen zur Zukunft des deutschen Films“ auch noch weitergegriffen, in Richtung Marketing und Filmbildung – auch diese beiden wären meiner Meinung nach wichtige Themenfelder, über die man sich für die Zukunft des Kinderfilms (für mich muss er keineswegs Deutsch sein – Europäisch, International, nehme ich alles) Gedanken machen sollte. Denn wo, wenn nicht im Kinderfilm, beginnt die Filmbildung?

(Foto: LUPA Film)

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