Filmkritiken

Die Konferenz der Tiere (1969)

Szenenfoto: Konferenz der Tiere

Welche Herausforderung es sein kann, Kinderbücher zu verfilmen, Klassiker zumal, habe ich vor einigen Wochen in einer Kolumne schon beschrieben – Filmemacher_innen haben da sicher keine leichte Aufgabe, zumal wenn sie auf schier nicht erfüllbare Erwartungen seitens der Zuschauer_innen – Erwachsene wie Kinder – treffen. Unmittelbar beobachten kann man das bei Die Konferenz der Tiere: Die recht neue Verfilmung, computeranimiert und in 3D, nimmt sich große, sehr große Freiheiten heraus (was nicht per se schlecht ist), schafft aber nicht mehr als eine aktualisierte und reduzierte Version von Erich Kästners Kinderbuch auf die Leinwand zu schicken, die sich zu sehr in Effekten und Action verliert.

Curt Lindas Verfilmung von 1969 hingegen ist nicht nur ein Klassiker, sondern schafft es außerdem sehr präzise, dicht am Text zu bleiben, ohne deshalb Sklave des Textes zu sein; stattdessen fügt sie in Ton und Bild viel hinzu und entwickelt daraus ein Ganzes, das für sich wieder ganz harmonisch schwingt.

Auf der Bildebene nutzt er eine ganz eigene Ästhetik und groteske Komik, die sich direkt aus der Technik des Zeichentricks ergibt; da fliegt ein Affe schier minutenlang herum, bis ihn jemand darauf hinweist, dass er ja nicht fliegen könne; und kindliche Phantasiemaschinen und -fabriken stehen in großer Zahl herum, die zugleich in ihren mechanistischen Abläufen die Strukturen einer unmenschlich organisierten Gesellschaft widerspiegeln.

Da gibt es ganze militärische Zurichtungsmaschinerien, in der die Menschen in Form gepresst und mit Orden ins Hirn gefüttert werden; aber Linda nutzt auch die dauernden Wiederholungen (nicht nur bei den maschinellen Abläufen), um seine Geschichte ohne Eile zu erzählen und Kindern genug Zeit zu lassen, das Geschehen zu beobachten und zu verarbeiten. Zugleich entwickeln sich dadurch etwas erratisch wirkende in der Erzählweisen und Dramaturgien, die aber immer wieder Spannung aufnehmen und erhalten, bevor sie episodenweise aufgelöst werden.

Zudem ist die Welt aus Die Konferenz der Tiere insgesamt alles andere als maschinell. Die oft getuschten Hintergründe überlassen vieles der Phantasie; der Raum und seine Richtungen können dadurch jederzeit Verhandlungsmasse, beliebig wandelbare Struktur werden. Auf der anderen Seite legt dann die Musik von Erich Ferstl ganz neue Strukturen, bricht mit den Szenen auch schon mal stakkatohaft ab, um dann ihre Themen nach Bedarf wieder aufzunehmen.

Die Konferenz der Tiere ist so ein kleines Gesamtkunstwerk, das zugleich offenbar ein Kind seiner Zeit ist. Das ist durchaus zweischneidig zu verstehen: Denn auf der einen Seite ist da die klare Haltung „Nie wieder Krieg!“, die sich wie der Buchtext den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges verdankt und den unverrückbaren Kern des Filmes ausmacht. Auf der anderen Seite sind aber die Klischees und Rassismen, die Ende der 1960er Jahre von der weißen Mehrheitsgesellschaft noch nicht als Probleme wahrgenommen wurden, hier sehr offen und unkritisch inszeniert: die kleinwüchsigen, strichäugigen Asiaten, die erotomanen Franzosen, die militaristischen Russen, die dicklippigen Schwarzen, die gerne Musik machen – das ist hart an oder auch jenseits des eigentlich Erträglichen, auch wenn die Karikatur vor Deutschland, das nur über einen biertrinkenden Bayer identifiziert wird, nicht haltmacht.

Ob man dies seinen Kindern zeigen möchte, müssen Eltern jeweils selbst entscheiden; historisch gesehen ist Lindas Streifen ein Trick- und Kinderfilm, an dem man nicht vorbeikommt und an dem sich andere Kinderfilme messen lassen müssen.

http://www.youtube.com/watch?v=EnEu5cD_DmE

Die Konferenz der Tiere, Deutschland 1969. Regie: Curt Linda. 95 Minuten, FSK 6. (Amazon-Link: DVD)

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